Nirgendwo ist Farbe dauerhafter eingefangen als in Edelsteinen: daher geht von ihnen eine ganz besondere Faszination aus, die den Menschen von alters her in ihren Bann schlägt.
Die Farbrezeptoren des Menschen reagieren bevorzugt auf Blau, Grün und Rot: und gerade dies sind die Farben, die auch in Edelsteinen seit jeher besonders beliebt sind.
Granat ist kulturhistorisch betrachtet als einer der bedeutendsten, weil über die Jahrtausende hinweg durchgängig zu Schmuckzwecken verwendeten roten Edelsteine anzusprechen.
Von Grabbeigaben weiß man, dass bereits in prähistorischen Zeiten Granate in Ketten verarbeitet wurden.
Während historischer Zeiträume ist eine nahezu lückenlose Verwendung von Granat über die letzten rund dreitausend Jahre nachzuweisen. Die Herkunftsbestimmung von Granaten in historischen Schmuckstücken liefert wertvolle Hinweise über Handelsbeziehungen früherer Zeiten.
Zu den ältesten literarischen Erwähnungen des Karfunkelsteines, griechisch „anthrax“, gehört die Übersetzung des Alten Testamentes aus dem Hebräischen in das Griechische, die um 300 v.Chr. in Alexandria entstand. Danach gehört der „anthrax“ zu den zwölf Edelsteinen auf der Brusttasche Aarons zur Symbolisierung der zwölf Stämme Israels (2. Buch Moses, Kapitel 28, Vers 17 sowie Kapitel 39 Vers 10).
Es ist allerdings umstritten, ob mit dieser Übersetzung die hebräischen Steinnamen richtig wiedergegeben wurden.
Die Schriften von Teophrastos (372-287 v. Chr.) (griech. Peri lithon = in lateinischer Übersetzung “De lapidibus“ = „Über die Steine“) und Plinius (23 – 79 n. Chr.) [ Historia naturalis = „Naturgeschichte“] sind als die ältesten primären wissenschaftlichen Quellen zu betrachten. Im Gegensatz zu späteren, mittelalterlichen Auslassungen über allerlei allegorische und mythische Bedeutungen der Edelsteine, geben die Schriften dieser beiden antiken Autoren im Wesentlichen rational nachvollziehbare, sachliche Beobachtungen wieder.
Mit anthrax wird von Theophrastos sowohl die gemeine Kohle bezeichnet, die im Feuer verbrennt, wie auch rote Edelsteine mit großer Härte, die im Feuer nicht verbrennen aber im Sonnenlicht wie glühende Kohle glänzen . Obwohl mit gleichem Namen belegt, sind diese beiden Typen des „anthrax“ aufgrund der Eigenschaften streng voneinander unterschieden.
Es ist aufgrund des damaligen mineralogischen Kenntnisstandes als sicher anzunehmen, dass die Bezeichnung „anthrax“ im Griechischen als Gattungsname vermutlich mehrerer roter Edelsteine wie Rubin, roter Spinell sowie roter Granat aufzufassen ist.
Aufgrund der Bemerkung von Theophrastos, dass der „anthrax“ zur Anfertigung von Siegeln gerne benutzt wurde, ist es jedoch sehr wahrscheinlich, dass Theophrastus mit dem Edelstein „anthrax“ den roten Granat meinte, da gerade in hellenistischer Zeit (Theophrastus ist ein Zeitgenosse Alexanders des Großen) ein Höhepunkt der Verarbeitung von Granat in Gemmen zu verzeichnen ist, während keinerlei Rubin-Gemmen aus damaliger Zeit bekannt sind.
Karthago und das heutige Marseille, damals bedeutende phönizische Handelsstädte, werden explizit als Handelszentren (nicht Fundort) für „anthrax“ angegeben. Milet in Kleinasien könnte sowohl Fundortangabe wie Handelszentrum gewesen sein.
Plinius übersetzt „anthrax“ mit „carbunculus“, und beschreibt wie bereits Theophrastos das Leuchten gegen die Strahlen der Sonne („contra radios solis scintillare“).
Plinius erwähnt wie Theophrastos Karthago, Milet und Massilia (heutiges Marseille) als Handelszentren. Äthiopien, Alabanda, Ägypten und Arabien kommen neu hinzu, wobei Alabanda in der Nähe von Milet als Schleifzentrum genannt wird.
Die Autoren des frühen bis hohen Mittelaters, Marbodus (1035-1123 n. Chr.), Arnoldus Saxo (um 1200 n. Chr), Hildegardis von Bingen (1098-1179 n. Chr.)) stellen hauptsächlich allegorische oder mythologische Betrachtungen auf der Grundlage der überlieferten Literatur an und liefern keine eigenständigen Erkenntnisse über die Eigenschaften und Vorkommen der „anthrax“ oder „carbunculi“.
Dennoch liegt die eigentliche „Geburtsstunde“ des eigenständigen Begriffes „Granat“ noch im Mittelalter:
Albertus Magnus (1193 – 1280 n.Chr.) unterscheidet „rubinus“, „granatus“ und „belagius“ als drei unterschiedliche Arten von „carbunculi“. Es ist anzunehmen, dass der Begriff “Granat” sich aus dem lateinischen “granum” = “Korn” ableitet, und auf die rote Farbe der Samenkörner des Granatapfels Bezug nimmt.
Aber erst die Renaissance bringt entscheidende neue Impulse, insbesondere durch den ganz neuen Stellenwert, den man der Mineral- und Bergbaukunde nunmehr beimisst.
An erster Stelle steht natürlich die Suche nach Gold- und Silbererzen, aber die Fürsten der Renaissance haben auch ganz gezielt die Suche nach Edelsteinen gefördert und der Fortentwicklung der Goldschmiedekunst eine große Bedeutung beigemessen.
Pyrop und Almandin
Erst die Etablierung der chemischen Analyse von Mineralen hat im 19. Jahrhundert zur Unterscheidung der roten Granate in zwei verschiedene Minerale geführt:
der Pyrop als Magnesium-Aluminium-Silikat
sowie
der Almandin als Eisen-Aluminium-Silikat.
Mit dem Fortschritt der Naturwissenschaften hat sich herausgestellt, dass alle natürlichen Granate im Grunde genommen als “feste Mischungen” beschrieben werden müssen. Es handelt sich um Mischkristalle zwischen Endgliedern, die als “reine” Minerale in der Natur nicht existieren. Ein Pyrop ist daher ein Granat-Mischkristall mit mehrheitlichem Pyrop-Anteil, ein Almandin ein Granat-Mischkristall mit vorherrschendem Almandin-Anteil.
Faszination Granat
Die ungebrochene Beliebtheit der Granate ist auf die hervorragenden Edelsteineigenschaften zurückzuführen: Granate sind widerstandsfähig gegen alle Umwelteinflüsse, haben eine relativ hohe Härte und vor allem eine hohe Lichtbrechung, die für eine hervorragende Brillanz der geschliffenen Edelsteine sorgt.
Von ganz besonderer Faszination ist natürlich die rote Farbe der Granate, die sowohl im Lichte der Sonne wie im Kunstlicht am Abend gleichermaßen angenehm auf den Betrachter wirkt.
Sowohl Brillanz wie Farbe der Edelsteine wird erst durch den Schliff optimal zur Geltung gebracht. Hier kommt es ganz auf das Können und die Erfahrung des Edelsteinschleifers an, um den Weg des Lichtes durch den Edelstein so zu gestalten, daß die ideale Kombination von Brillanz und Farbwirkung erreicht wird.
Traditionell werden Granate im sogenannten "Rosenschliff" verarbeitet, der eine hohe Lichtwirkung durch Reflexion an zahlreichen Facetten bewirkt, sowie als Cabochons, die zur Erzeugung einer besseren Lichtdurchlässigkeit auf der Unterseite ausgeschlägelt werden.
Sehr häufig werden Granate auch im sogenannten "Brillantschliff" oder auch "Tafelschliff" verarbeitet. Hierbei erfährt der Lichtstrahl auf seinem Weg durch den Edelstein mehrmalige Totalreflexion an der Rückseite des geschliffenen Steines, bevor er durch die sogenannte "Tafelfacette" auf der Vorseite austritt und in das Auge des Betrachters gelangt. Dieser Schliff eignet sich hervorragend für Granate mit hoher Transparenz.
Moderne Edelsteinschliffe des ausgehenden 20. Jahrhunderts kombinieren sehr häufig traditionelle Elemente mit ganz neuen Ideen, um besondere Lichtwirkungen im Stein zu entfalten und eignen sich hervorragend zu individuellen Schmuckkreationen.
Das geheimnisvolle Feuer und der Glanz der Granate wirkt seit Jahrtausenden immer wieder von neuem anregend auf den kreativen Schmuckgestalter.
Jede Generation schafft eigene Möglichkeiten, sich diesem Material zu nähern und in hochwertigen Schmuck einzuarbeiten.
Die Entdeckung von neuen Vorkommen dieses klassischen roten Edelsteines in der Mitte des 20. Jahrhunderts, die auch heute noch qualitativ hochwertiges Material liefern, sowie die Entdeckung andersfarbiger Granate (hierzu gehören z.B. grüne Tsavolithe, die heute – gleich nach dem Smaragd - zu den begehrtesten grünen Edelsteinen gehören) hat zu einer Renaissance der Granate in der Schmuckverarbeitung geführt.